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“Starke Bilder entstehen nur, wenn die Atmosphäre stimmt” - Fotograf Kai Neunert

Fotograf Kai Neunert

 

BF: Hallo Herr Neunert, Sie sind über zwei völlig andere Berufe zur Fotografie gekommen.

Kai Neunert: Ja, ich bin ein staatlich-geprüfter Sportlehrer und habe davor eine Ausbildung als Hotelfachmann abgeschlossen. Darüber hinaus habe ich schon immer gern fotografiert, aber nicht ernsthaft daran geglaubt, das als Job machen zu können. Ich hatte immer Spaß am Fotografieren und nachdem es für mich immer wichtiger wurde, habe ich ein Praktikum in einem großen Münchner Fotostudio begonnen. Anfangs musste ich vom Hohlkehlestreichen bis zur Mappenvorbereitung für den Studiobesitzer alles machen. Ich bekam aber im Gegenzug das gesamte Briese-Fotoequipment des Studios zur Verfügung gestellt mit dem ich mich abends stundenlang selbst portraitierte. Um die Technik zu verstehen, war dieser Deal großartig und niemand konnte ungeduldig werden. In dem Fotostudio haben viele internationale Fotografen Kampagnen geschossen. Ihnen konnte ich über die Schulter schauen und viel dazu lernen. Zudem habe ich schnell Kontakt zu den besten Fotoassistenten gefunden, die mich später auch in Ihren Pool der Assistenten aufnahmen. Als Autodidakt habe ich mir viel selbst beigebracht und in Kombination mit der Erfahrung als Hotelfachmann und Sportlehrer, habe ich eben schnell verstanden, was einen guten Assistenten ausmacht.

 

BF: Den Sportlehrerjob haben Sie damit erst einmal aufs Eis gelegt?

Kai Neunert: Den Sportlehrerjob schon, den Bezug zum Sport nicht. Unter anderem mache ich ja werbliche Sportfotografie. Ich war in der Fotografie innerhalb kürzester Zeit so stark involviert, dass eine Parallelwelt gar nicht mehr möglich war. Natürlich war das alles nicht einfach, auch wenn es sich einfach anhört. Ich habe anfangs ohne Bezahlung in dem Fotostudio gerackert, später erst als Fotoassistent Geld verdient und die ganze Zeit nebenbei noch als Rikschafahrer gejobbt. Das gab mir die Freiheit, so einfach in diesen Beruf einzusteigen, denn immer wenn ich keine Assistenzjobs hatte, habe ich als Rikschafahrer gearbeitet. 

Fotograf Kai Neunert

 

BF: Als Sportlehrer hätten Sie womöglich mehr verdient. Was hat Sie dazu bewegt, trotzdem lieber als Fotoassistent zu arbeiten?

Kai Neunert: Es ist eher andersrum. Die Verdienstmöglichkeiten als Sportlehrer sind leider sehr gering. Zudem habe ich mich als Freigeist in einem 9-5-Job in einer Schule nicht glücklich werden sehen. Nun bin ich glücklich frei zu sein und lebe meine kreative Ader aus. Ich will das machen, was gerade meine Leidenschaft ist. Meine Einsichten ins Leben ändern sich ja ständig. Hotelfachmann zu lernen, war keine wirkliche Leidenschaft, sondern eine Vernunftentscheidung, initiiert durch meine Eltern. Trotzdem habe ich durch diesen Job viel im Ausland erlebt und bin überhaupt nicht traurig darüber, das gelernt zu haben: Mexiko, Frankreich, England. Allein im Ausland als Hotelfachmann zu sein, hat mich erweckt und mich immer mehr an mich glauben lassen und das, was für mich tatsächlich wichtig ist. Deswegen bin ich dann auch Schritt für Schritt dem nachgegangen, was ich wirklich wollte. Dadurch erst bin ich zur Fotografie gekommen. Innerhalb der Fotografie musste ich dann auch wieder herausfinden, wo genau die eigene Leidenschaft liegt. Anfangs habe ich viel Fashion fotografiert, dann aber gemerkt, dass Fashion nicht meine wahre Leidenschaft ist. Deshalb gab es dann wieder einen Bruch. Diese Brüche im Leben zu machen, ist für mich wichtig, um alte Themen abzuschließen und neue Schritte zu gehen. Das ist die Ehrlichkeit meinem eigenen Leben gegenüber. So schön das Sportstudium auch war, umso wichtiger war es, meiner nächsten Leidenschaft zu folgen. Daher war das Geld immer nur Mittel zum Zweck, um an das Glück zu kommen.

 

BF: Die Modefotografie ist für viele Fotografen das Nonplusultra.

Kai Neunert: Ich habe bei großen Modekampagnen und Werbekampagnen assistiert und denke, dass ich das Leben als Modefotograf einschätzen kann. Mir liegen die Leute in der Werbung einfach mehr. Vielleicht bilde ich es mir ein, aber für mich sind sie einfach offener und bodenständiger. Ich fühle mich wohler unter Leuten, die direkt sagen, was sie meinen und was sie wollen.

 

BF: Finden Sie das bei den Leuten in der Werbebranche?

Kai Neunert: Ich kann nur von meinen eigenen Erfahrungen reden und natürlich nicht alle über einen Kamm scheren. Die Leute aus der Werbung fand ich meist lockerer, die sagen eher klar, was sie denken. Generell mag ich es mit Menschen, egal in welcher Branche, zu arbeiten und komme mit ihnen gut zurecht. Manchmal bin ich vielleicht auch zu ehrlich und der Schuss geht nach hinten los, das ist manchmal ein Problem. Ich glaube aber schon, dass Ehrlichkeit am längsten währt. Wenn mal etwas nicht gut läuft, dann spreche ich es aus. Dasselbe habe ich schon als Fotoassistent gemacht und bin damit öfter angeeckt, aber da war ich wohl im Kopf dann schon manchmal zu sehr der Fotograf. Es gibt Menschen, die mögen diese Offenheit gern und es gibt Leute, die mögen das nicht. Ich finde die Leute gut, die auch mir gegenüber ehrlich und direkt sind. Denn ich kann die Wünsche meiner Kunden nur umsetzen, wenn ich sie genau kenne.

 

BF: Findet sich diese Offenheit auch in Ihren Fotos wieder?

Kai Neunert: Ich habe eine sehr ehrliche Fotografie. Es geht mir nicht darum, überzogene Bilder zu machen, die Kraft meiner Fotos liegt oft im scheinbar nebensächlichen Detail. Außerdem arbeite ich stark mit den Menschen zusammen, die ich fotografiere. Man muss eben auch sein Handwerk gut im Griff haben, um sich auf das Zwischenmenschliche und die Feinheiten konzentrieren zu können. Denn nur wenn die Atmosphäre stimmt, entstehen letztlich starke Bilder.

Fotograf Kai Neunert

 

BF: Gibt es einen Moment oder ein Foto, an welches Sie sich sehr, sehr gern erinnern?

Kai Neunert: Es ist immer das letzte Foto, was ein Besonderes für mich ist. Jetzt habe ich gerade Portraits für ein Innenarchitekturbüro gemacht, ein Firmenportrait. Wir hatten sofort einen super Draht zueinander. Es sollte einen werblichen Charakter haben, aber trotzdem die Persönlichkeit der Menschen, die in dieser Firma arbeiten, rüberbringen. Das war ein wunderbares Shooting und ein toller Moment für mich. Ich könnte zu jedem einzelnen meiner Bilder eine Geschichte erzählen. Es gibt zum Beispiel ein Handballerbild, was für mich recht emotionsreich ist. Ich habe es vor einiger Zeit geschossen, aber es sticht mir noch immer ins Auge, wenn ich auf meine Website gehe. Das Shooting war nicht so einfach. Da es technisch auf einem hohen Niveau stattfinden sollte, ich aber, da es eine freie Arbeit war, kein Budget hatte, musste ich improvisieren. Eigentlich wollte ich eine größere Strecke fotografieren, habe aber nur dieses eine Bild letztlich so hinbekommen, wie ich wollte, weil meine Technik streikte. Daher liebe ich dieses eine Bild gerade wegen der technischen Schwierigkeiten, unter denen es entstanden ist. Heute würde mir so etwas nicht mehr passieren. Diese Aufnahme steht für mich, weil ich früher ein Einzelkämpfer war und versucht habe, mich peu à peu nach oben zu hangeln. Heute versuche ich, immer mehr im Team zu arbeiten. Das Leben geht immer weiter. Ich hangel mich ständig von Situation zu Situation.
Eine andere Geschichte, die mir wichtig ist, findet man auf meiner People/Portrait-Seite unter DDR-”Kinder”-Portraits. Es ist ein fortlaufendes Fotoprojekt, welches ich vor 3 Jahren angefangen habe, bei dem ich manchmal nicht wusste, wie es weitergehen soll. Es geht um in der DDR aufgewachsene, namibische Kinder, die mit 5 Jahren nach Deutschland gebracht worden sind, hier ausgebildet wurden, um später die zukünftige namibische Elite zu bilden. Anfang der 90er Jahre sind sie im Alter von etwa 15 Jahren wieder nach Namibia geschickt worden. Teilweise sind die jungen Menschen dort wieder aufgefangen worden von ihren Familien. Zum Teil kamen die Kinder aus Familien, in denen Regierungsmitglieder waren, es waren aber auch Flüchtlingskinder dabei. Diese heute Erwachsenen zu fotografieren ist mein Langzeitprojekt. Ich möchte so viele Portraits wie möglich machen. Ich war gerade in Namibia und habe wieder Bilder gemacht, aber da warten noch viele auf mich. Das Projekt ist für mich auch interessant, weil es ein Lichtkonzept hat, was ich überall auf der Welt rekonstruieren kann. Ich brauche dafür nur wenig Equipment, dafür habe ich aber trotzdem ein tolles Licht. Alle Portraitierten werden im selben Licht dargestellt mit diesem starken Ausdruck. Das regt zum Fragen an. Ich möchte unbedingt in der Zukunft eine Ausstellung zu dieser Serie machen.

 

BF: Wie kam es zu diesem Projekt? Namibische Kinder in der ehemaligen DDR ist kein alltägliches Thema.

Kai Neunert: Meine Frau ist auch als Kind von Namibia nach Deutschland gebracht worden. Sie war eines dieser Kinder. Es ist an sich ein interessantes Thema, aber natürlich habe ich durch meine Frau einen besonderen Zugang zu den Portraitierten und ihren Geschichten. Gerade bei so einem Thema ist es mir wichtig, die Menschen authentisch rüberzubringen, sie zu respektieren. Die Bilder sind daher kaum retuschiert. Einerseits möchte ich nur die Gesichter auf den Bildern sprechen lassen und gar nichts zu dem gesamten Projekt schreiben, andererseits kristallisiert sich immer mehr heraus, wie unterschiedlich die Geschichte jeder einzelnen Person ist. Ich frage mich, ob diese nicht doch erzählt werden sollten und erarbeite mir da derzeit ein Konzept im Kopf. Durch diese Portraitreihe spricht der Künstler aus mir. Aber ein großer Teil meiner Arbeit ist auch kommerzieller Natur und das stört mich auch nicht. Weil ich eben gerne mit anderen fusioniere. Dann gibt es natürlich noch ein anderes Sportfoto, das mir wichtig ist: die Eisbachsurfer. Eines schneienden Nachmittags rief mich eine Rikschafahrerkollegin an, um mir zu erzählen, dass sie am Eisbach surft. Sie fragte, ob ich vorbeikommen möchte. Ich habe spontan meine Sachen gepackt und bin hin. Es schneite und war unglaublich glatt. Meine Geräte sind immer feuchter geworden und wären fast kaputt gegangen. Ich bin einmal fast ins Wasser gefallen und am Ende dachte ich, in dem ganzen Schneegestöber, dass alles umsonst war. Aber zu Hause entpuppte sich das ganze als Juwel. Das sind dann Shootings, an die man sich lange erinnert.

Fotograf Kai Neunert

 

BF: Hat Ihre Sportlerkarriere Ihr Durchhaltevermögen in dieser Hinsicht gestärkt?

Kai Neunert: Nicht nur die Sportlerkarriere, ich glaube, meine Hotelfachmannausbildung hat damit etwas zu tun und das Reisen insgesamt. Oft war ich allein unterwegs und musste das Beste aus dem Gegebenen herausholen. Als Hotelfachmann muss man sehr flexibel sein und muss immer eine kundenorientierte Lösung finden. Bei der Fotografie ist es genauso: Ich komme oft an einen Ort, der sich vielleicht als ganz anders als erwartet erweißt. Dann muss ich flexibel sein, spontan daraus das Beste herausholen. Das inspiriert mich sogar oft und macht das Ganze am Ende noch besser.

 

BF: Vielen Dank und weiter viel Glück Herr Neunert.

Kai Neunert: Vielen Dank für das nette Interview.

 

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